Chronik

Festjahr 100 Jahre Gottfried Böhm

Am 23.01.2020 feierte der Kölner Architekt Gottfried Böhm seinen 100. Geburtstag. Er stammt aus einer Familie von Baumeistern. Bereits sein Großvater Alois Böhm betrieb in Süddeutschland ein Baugeschäft. Sein Vater Dominikus Böhm eröffnete 1926 ein Architekturbüro in Köln. Dort machte auch Gottfried Böhm nach Studium der Architektur und Bildhauerei ab 1947 seine ersten beruflichen Erfahrungen.

Als Schöpfer von rund 55 Kirchen und Gestalter des Wiederaufbaus zahlreicher Gotteshäuser hat Gottfried Böhm die sakrale Architektur der Nachkriegsmoderne maßgeblich geprägt. Sein wohl bedeutendstes Werk im Stil des so genannten Brutalismus ist die Wallfahrtskirche St. Maria Königin in Velbert-Neviges. Bericht in STÄDTE- UND GEMEINDERAT 9/2020

Darüber hinaus hat Böhm viele Wohnhäuser und Bürobauten entworfen, etwa die WDR-Arkaden in Köln oder den Anbau zum Bürgerhaus Bergischer Löwe in Bergisch Gladbach.

Zu Ehren des Jubilars fanden 2020 zahlreiche Vorträge, Symposien und Exkursionen statt, organisiert etwa vom RVDL, dem BDA Köln oder dem Haus der Architektur Köln. Für das Festjahr wurde eigens eine Internetseite www.boehm100.de ins Leben gerufen, die aber nicht mehr aktiv ist (Stand 2024).

Liste der Veranstaltungen 2020

Hier finden Sie eine Liste der Bauwerke von Gottfried Böhm (externer Link Wikipedia)

Kölner Veranstaltungen im Böhm-Jahr 2020 (Januar – Juni)

Bericht über einzelne Veranstaltungen

03.02.2020 – Der Erhalt von Gottfried Böhms Betonkirchen

Professionelle Reparatur von Fassadenschäden an der Kölner Waisenhauskirche

Als die markanten Sichtbetonkirchen in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaut wurden, dachten alle, „das hält ewig“. Beton ist zwar vielseitig, aber auch ein empfindlicher Baustoff. Daher stellten sich bei vielen Gebäuden schon nach wenigen Jahren Schäden ein. Wo Gottfried Böhms Betonkirchen davon betroffen waren und wie eine Sanierung möglich ist, stellte Kölns Erzdiözesanbaumeister Martin Struck im Museum für angewandte Kunst dar. Zunächt erläuterte er die Geschichte des Werkstoffs Beton, den schon die Römer als Opus Caementitium mit Erfolg für Fundamente und Mauerfüllungen einsetzten. Im 20. Jahrhundert eröffneten sich für das gießbare Material durch Einbau von Armierungseisen neue konstruktive Möglichkeiten.

Freilich habe der Beton gerade nach den Kriegszerstörungen 1945 ein schlechtes Image erhalten. Denn die Beseitigung und Wiedernutzbarmachung von Stahlbetontrümmern war wesentlich mühsamer als die von Ziegelbauten. Der Kölner Architekt Emil Steffann verstieg sich gar zu einer Fundamentalkritik des Werkstoffs als „Abbild einer Menschheit, die den einzelnen zerstört“.

Den Siegeszug des Betons in der Nachkriegsarchitektur konnte dies aber nicht aufhalten. Doch mit der Anzahl der Anwendungen,teils in völlig neuartigen Formen, stieg auch die Zahl der Probleme. Vielfach fehlte die Erfahrung über die richtige Mischung von Zement, Wasser und Zuschlagstoffen wie Sand oder Kiesel. Das machte sich in rascher Alterung des Betons bemerkbar. Eindringendes Wasser ließ die Armierungseisen rosten und führte zur Sprengung ganzer Bauteile von innen heraus.
Für diese Probleme hat sich ein Fachhandwerk Betonsanierer entwickelt. Es geht darum, die durch Abplatzungen beschädigten Oberflächen sowie die statische Festigkeit wiederherzustellen. Gleichzeitig soll aber unter dem Gesichtspunkt Denkmalschutz das ursprüngliche Aussehen des Betongebäudes möglichst vollständig erhalten bleiben.

Korrosion von Armierungseisen kann die Statik von Betongebäuden gefährden

Struck illustrierte dies anhand einiger Bauten von Gottfried Böhm. So stellte sich bei der Kölner Universitätskirche St. Johannes der Täufer das Problem, dass Böhm den Beton nach dem Gießen stets noch bearbeiten ließ, um die Oberfläche lebhafter erscheinen zu lassen. Das stellt Betonrestauratoren vor die Aufgabe, die Betonplomben individuell auf das umgebende Material abzustimmen. Bei der Kölner Waisenhauskirche war eine großflächige Sanierung von Armierungseisen in der Fassade nötig. Hier wurden die schadhaften Stellen rechteckig freigelegt, damit die Außenhaut nach dem Verfüllen nicht so unruhig aussieht (siehe Bild oben).

Besonders schwierig gestaltete sich die Sanierung des Dachs der Wallfahrtskirche Maria Königin des Friedens in Velbert-Neviges. Aus Kostengründen hatte man in den 1960er-Jahren auf einer Bleieindeckung der vielfach zerklüfteten Betonflächen verzichtet. So drang bald durch Risse Wasser in den Kirchenraum. Ein Sanierungsversuch mit einer Epoxydharzbeschichtung in den 1980er-Jahren schlug eklatant fehl. Nach jahrelangen Überlegungen und bauwissenschaftlichen Experimenten wurde schließlich eine dünne Beton-Neubeschichtung gewählt. Zuvor wurden die Risse im Beton mit Folienstreifen abgedeckt, damit sich deren Bewegung als Folge von Temperaturschwankungen nicht auf die schützende Deckschicht überträgt. Diese bis dato erfolgreiche Lösung – so Martin Struck – hat mit sechs Mio. Euro dieselbe Summe verschlungen wie der Neubau für sechs Mio. D-Mark.

20.01.2020 – Die Kirchenfenster von Gottfried Böhm

Der Architekt Gottfried Böhm entwarf nicht nur Kirchen als Gebäudehülle, sondern sorgte sich auch um die Ausstattung. Besonders die Gestaltung der Fenster lag ihm am Herzen, da diese durch den Lichteinfall die Wirkung des Innenraums beeinflussen. Darüber informierte Dr. Ulrike Hoffmann-Goswin mit ihrem Vortrag „Raumszenario und Lichtwirkung“ im Museum für angewandte Kunst. Die Kunsthistorikerin hat just ihre Dissertation über „Sakrale Glasmalerei der 1960er- bis 1980er-Jahre“ veröffentlicht. Gottfried Böhm trat in die Fußstapfen seines Vaters Dominikus, der sich ebenfalls mit Glasmalerei beschäftigt hatte. Zeitlebens hielt er engen Kontakt zu Glaskünstlern, ließ sich von diesen inspirieren oder gab diesen Impulse.

Ein frühes Bespiel für Böhms Fenstergestaltung bietet die Pfarrkirche St. Paulus in Velbert, erbaut 1953-55. Schon die eigenwillige Form des Gebäudes – ein zum Altar hin niedriger werdendes Kirchenschiff – verschaffte ihr den Spitznamen „Sprungschanze Gottes“. Das von Böhm geschaffene riesige Fenster bildet die Ostwand und erhebt sich halbkreisförmig über einer Altarraum-Zelle. Es besteht aus einer Vielzahl von Quadraten, durch Stege längs, quer und diagonal geteilt. Deren Schnittpunkte markieren rund 70 farblich hervorgehobene Medaillons, die durchaus auch Alltags-Motive wie Autos oder Gießkannen zeigen. Im oberen Teil des Fensters erzeugen Sonnen, Monde und Sterne einen Eindruck vom Weltall.

Reduziert in der Formensprache, asketisch-geometrisch präsentieren sich dagegen die Fenster in der Brühler Kirche St. Stephan, die 1965 der Gemeinde übergeben wurde. In dem quadratischen Sichtbetonbau mit gefaltetem Zeltdach bilden die Fenster über Eck verlaufende flache Bänder. Über diese verläuft, gestützt von roten und grünen Stegen, eine Kette grau-weißer Polygone. Als Strang von Blumen bieten sie eine Assoziation zum katholischen Rosenkranz.

Dr. Ulrike Hoffmann-Goswin bei ihrem Vortrag

Auch von neuen Formen und Materialien ließ Böhm sich inspirieren. So entwarf er für die 1970 fertiggestellte Kirche „Christi Auferstehung“ in Köln-Lindenthal Fenster aus Plexiglas, in deren Tafeln Nägel und Eisenstäbe eingegossen sind. Sie stehen symbolisch für das „Baumaterial“ des Vaters Christi, des Zimmermanns Josef. Aus einiger Entfernung ergibt sich der Eindruck von Schraffuren oder Barcodes. Von oben nach unten ziehen sich dunkelrote Lichtbänder durch die geometrischen Muster.

Böhms letzter Glasauftrag kam von der Stadt Rheinberg. Dort sollte er 1981 das Fenster des neuen Trauzimmers gestalten. Statt mit bunten Flächen arbeitete er mit Glasschliff auf einer großen Scheibe. Dadurch entsteht das Abbild einer Rose in Aufsicht, die sich über einer Schlange – Symbol für Verlockung und Verführung – erhebt.

Insgesamt hat Gottfried Böhm als Autodidakt der Glasgestaltung einen opulenten Formenreichtum hervorgebracht. Anfangs orientiert am Expressionismus, behielt er die jeweils aktuellen Kunstströmungen im Blick. Dabei setzte er eine Fülle von Materialien ein – vom mundgeblasenen Antikglas bis zur Industrie-Ware. Stets ließ sich Böhm von christlichen Themen und Bildern leiten, wobei ihm das Motiv der Rose am nächsten stand.

Weitere Informationen über Glaskunst – sehr ausführlich und reich bebildert: Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts. 

06.01.2020 – Kirche als Bauherrin

Wie war es für die Kirchenbauverwaltung, mit Gottfried Böhm zusammenzuarbeiten? Darüber sprach die freie Moderatorin Melanie Wielens im Kölner Museum für angewandte Kunst mit zwei „alten Hasen“ des Metiers, dem früheren kirchlichen Oberbaurat Dr. Karl-Josef Bollenbeck (Foto Mitte) und Josef Rüenauver, Erzdiözesanbaumeister a.D. Beide schilderten den Architekten als bescheiden im Auftreten, aber konsequent in seinen Festlegungen. Seine gestalterischen Überzeugungen habe Böhm freundlich, aber kompromisslos gegenüber dem Bauherrn vertreten. Dies habe sich beispielsweise beim Neubau des Diözesanmuseums in Paderborn gezeigt. Dort sei er mit seinem Konzept der vier Betonstützen, mit deren Hilfe die Bodendenkmäler überspannt werden konnten, anfangs auf große Skepsis gestoßen. Letztlich habe er sich aber durchgesetzt. Böhms hintergründigen Humor im Angesicht der Niederlage brachte Josef Rüenauver nach frischen Archivrecherchen ans Licht. Der Architekt, der bereits Ende der 1940er-Jahre auf dem Gelände der früheren Kirche St. Kolumba eine Kapelle gebaut hatte, zog bekanntlich beim Wettbewerb um den Neubau des Erzbischöflichen Kunstmuseums Kolumba 2002 gegenüber seinem Mitbewerber Peter Zumtor den Kürzeren. Unzufrieden mit der Entscheidung des Bauherren formulierte Böhm selbst ein Ablehnungsschreiben, wie er es akzeptiert hätte, und schickte dieses an den Kölner Erzbischof Kardinal Meisner.

16.12.2019 – Der junge Gottfried Böhm – Frühe Kirchenbauten und -projekte angesichts der Trümmerlandschaft

[kein Bericht]

Ein Gedanke zu „Festjahr 100 Jahre Gottfried Böhm

  • Schön, dass Sie die Vortragsveranstaltungen der Böhm-Reihe, organisiert von DOMFORUM, Förderverein roman. Kirchen und Kath. Bildungswerk aufgreifen, ich habe erst heute zu Ihrer Seite gefunden. Wir hatten mit unserer Reihe das große Glück, sämtliche Termine vor dem ersten Lockdown mit sehr großem Zuspruch durchführen zu können. Viele andere geplante Veranstaltungen des großen Böhm-Programms http://www.boehm100.de mussten und müssen leider abgesagt werden. Der Vortrag von Frau Dr. Hoffmann-Goswin über die Fenster Gottfried Böhms ist mittlerweile in „Das Münster“ erschienen.
    Danke für Ihr Engagement für die Denkmäler Kölns.
    Monika Schmelzer, Katholisches Bildungswerk Köln

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