Tagung Mensch im Schatten der Mauer

Unter dem Titel „The Wall: Der Mensch im Schatten der Mauer“ veranstalteten das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte und das Historische Institut der Universität zu Köln am 28. und 29.11.2019 eine Tagung im Kölnischen Stadtmuseum. Im Mittelpunkt standen die Geschiche des Befestigungsbaus in Mitteleuropa sowie die Erfahrungen der Menschen in den Siedlungen der Vormoderne mit den sie umgebenden Stadtmauern. Die Quintessenz von eineinhalb Tagen Vorträgen und Diskussion: Eine Mauer macht noch keine Stadt, und eine Mauer allein ist kein Entwicklungshemmnis.

Beleuchtet wurden nicht nur sozial- und militärgeschichtliche Fragen, sondern auch Themen der Mentalitäts-, Kultur- und Architekturgeschichte. Prof. Dr. Sabine von Heusinger (Univ. Köln) machte darauf aufmerksam, dass das Thema „Stadtmauer“ in einem weiteren Horizont die Frage von Inklusion und Exklusion aufwerfe. So habe es auch Mauern innerhalb von Städten gegeben – etwa um ein von Juden  bewohntes Viertel – und eine Befestigung sei nicht das einzige Merkmal des Status Stadt gewesen. Einen Einblick in die heterogene Forschung zu Stadtbefestigungen im mittelalterlichen Reich gewährte Prof. Dr. Lukas Clemens (Univ. Trier). Er wies darauf hin, dass vielerorts eine weitgehend intakte Stadtbefestigung aus der Antike genutzt wurde. Ein weiter gezogener Neubau im Hochmittelalter brachte den Städten als Großprojekt meist erhebliche finanzielle Risiken. Wie der Festungsbau neue planerische Anforderungen und berufliche Perspektiven schuf, schilderte Dr. Beatrix Schönewald (Stadtmuseum Ingolstadt) anhand der Biografie von Daniel Specklin. Der Straßburger Seidenstickermeister qualifizierte sich Mitte des 16. Jhds. als Autodidakt zum Experten für Befestigungen und wirkte am Festungsbau in Wien, Ingolstadt und Ulm mit. Daneben machte er sich als Fachautor in diesem Gebiet einen Namen. Dass der Status einer Festungsstadt im 19. Jhd. mit Einschränkungen für die BürgerInnen verbunden war, machte Dr. Thomas Tippach (Univ. Münster) deutlich. So verloren Grundstücke im Rayonbereich an Wert, wofür die Eigentümer energisch Entschädigung einforderten.  Auch stand das Militär dem Bau von Eisenbahnen, welche die Festungsanlagen durchqueren mussten, skeptisch gegenüber. Stadtmauern waren beim Kampf zwischen Belagerern und Verteidigern auch immer ein Schauplatz psychologischer Kriegführung, wie Simon Liening (Univ. Köln) ausführte. So legten es oft beide Seiten an, sich in sichtbaren Grausamkeiten zu überbieten, um nicht vor dem Gegner schwach und hilflos zu erscheinen. Auch wurden wie etwa im belagerten Neuss 1474 Spiele abgehalten, um nach außen die Botschaft „Uns geht’s noch prächtig“ zu senden.

Am Nachmittag des ersten Tages stand die lokale und regionale Situation im Vordergrund. Dr. Martin Bredenbeck (Rheinischer Verein) auf den Umgang mit historischen Stadtbefestigungen beim Wiederaufbau nach 1945. Am Beispiel der Stadt Koblenz zeigte er auf, wie ganze Mauerabschnitte planiert wurden, um im Zeitgeist der 1960er-Jahre neue Plätze zu gestalten. Diese seien aber mangels städtebaulicher Qualität längst wieder neu bebaut worden. Über Konstruktion und technischen Entwicklungsstand der Kölner Stadtmauer aus dem 13. Jhd. berichtete Markus Jansen (Univ. Köln). So sei diese mit Schießscharten und Fundamentbögen wegweisend für den Stadtmauerbau vieler Städte in Mitteleuropa gewesen. Die vielfach strittige Frage, ob nun die Kölner Bürgerschaft oder der Erzbischof den Bau der Stadtmauer angestoßen hätten, griff Dr. Joachim Oepen (Erzbischöfliches Archiv) auf. Anhand des Grabmals von Erzbischof Philipp von Heinsberg im Kölner Dom wies er nach, dass Kölner Bürger späterer Jahrhunderte diese Leistung stets für sich in Anspruch genommen hätten. Auf die wirtschaftshemmende Wirkung des 8,5 Kilometer langen Kölner Mauerrings wies Dr. Christian Hillen (Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv) hin. Neue Industrieanlagen hätten entweder in Vororten wie Ehrenfeld und Nippes oder in unbefestigten Nachbarstädten wie Mülheim gebaut werden müssen.

Am zweitenTag des Symposiums ging es um die Überreste früherer Stadtbefestigungen und deren Integration in das moderne Stadtbild. Heike Krause M.A. (Stadtarchäologie Wien) berichtete, dass der Verlauf der Wiener Stadtbefestigung aus dem 16. Jhd. erst durch neuzeitliche Ausgrabungen nachgewiesen werden konnte. Lediglich an zwei Stellen in der Stadt seien Mauerreste im Untergrund zu besichtigen. Dennoch sei das digital dokumentierte Wissen über die Stadtmauer hilfreich bei Neubauprojekten. Über Formen der Neunutzung aufgegebener Torburgen in Köln informierte Dr. Philipp Hoffmann (Stadtmuseum Köln).  Nach einer Phase als Heimstatt städtischer Museen und Kriegszerstörung seien mehrere Objekte an Vereine verpachtet oder zur Wohnung umgebaut worden. Bedauerlicherweise sei keine der Torburgen mehr für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich. Wie schwer es sei, historische Stadtbefestigungen nachzuweisen, schilderte Dr. Wolfgang Rosen (LVR-Regionalgeschichte) anhand des Rheinischen Städteatlasses. Während mit Holz verstärkte Erdwälle längst verfallen seien, täuschten umgekehrt Bilder oder Wappen oftmals eine Stadtbefestigung vor, die es so nie gegeben habe. Oft erinnerten Straßen- oder Flurnamen an frühere Stadtmauern oder -gräben. Den Blick zurück in die Antike lenkte Prof. Dr. Alfred Schäfer (Römisch-Germanisches Museum Köln). Aus der Tatsache, dass die Gräberfelder rund um das römische Köln außerhalb der Stadtmauer angelegt worden seien, leitete er ab, dass die Stadt von Anfang an auf eine große Entwicklung angelegt gewesen sei. Beim Bau der rund vier Kilometer langen Stadtmauer zum Ende des 1. Jhds. hätten das römische Militär als Betreiber der Steinbrüche sowie die römische Rheinflotte als Transportunternehmen wesentlich mitgeholfen.

Erhaltener Teil der römischen Stadtmauer

Exkursionen am Nachmittag schließlich führten zu den Zeugnissen der Kölner Stadtbefestigung: die mittelalterliche Mauer und der römische Schutzwall. Zu ausgewählten Überresten der antiken Stadtmauer begleitete Dr. Joachim Oepen, Vizechef des erzbischöflichen Archivs, eine gut 20köpfige Gruppe. Auf dem Rundgang machte er deutlich, dass die um 85 nach Christus gebaute Stadtmauer mit gut zwei Metern Dicke und mehr als acht Metern Höhe robust und langlebig konstruiert war.

 

Ubier-Monument Köln

In Gestalt des so genannten Ubiermonuments bekamen die Teilnehmenden die Fundamente eines Eckturms der ersten römischen Stadtbefestigung vom Anfang des 1. Jhds. zu sehen. Oberirdisch verlief der Rundweg entlang von Mauerabschnitten, die vor kurzem mit Sprühfarbe verunstaltet worden sind und in Kürze gereinigt sowie saniert werden. Der Stabilisierung dient auch das Fällen von Bäumen oberhalb der Mauer.

 

 

 

Dr. Joachim Oepen vor dem Römerturm in Köln

Letzte Station war der Römerturm an der Nordwestecke der früheren römischen Stadtbefestigung. Anhand eines Übersichtsplans zeigte Dr. Oepen, wie der Verlauf der antiken Stadtmauer sich noch im heutigen Stadtbild abzeichnet. Wie eine bauphysikalische Untersuchung ergeben hat, weist der kunstvoll verzierte Turm erhebliche Schäden auf. Im kommenden Jahr soll ein Sanierungskonzept vorgestellt und dafür Geld eingeworben werden.

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